Velle Verlag | Hallo Ludwigsburg

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Ausflug ins Antiquariat Alt-Hoheneck

Just einen Tag, bevor wir im Juli unseren Aufruf »Gastautor:in gesucht« online stellten, meldete sich Natalie bei uns. Sie wohne schon ein Leben lang in Ludwigsburg, sei erst jetzt über uns gestolpert und habe große Lust, für »Hallo Ludwigsburg« zu schreiben.

Großartig, dachten wir uns — und ließen Natalie freie Wahl beim Thema. Sie hatte ganz viele Ideen und wählte für ihren ersten Blogpost den schönen Ludwigsburger Stadtteil Alt-Hoheneck mit dem dortigen Antiquariat aus. Los gehts:

Sommerlektüre
mal anders shoppen! Viel Freude beim Lesen.



Zugegeben, ein bisschen spät dran bin ich dieses Jahr in Sachen Sommerlektüre zusammensuchen.

Und dennoch — der Stapel unberührter Bücher in meinem Regal wird auch die nächsten Wochen genau so liegen bleiben, wie in den Jahren zuvor. Zu sehr gefällt mir das Kaufen neuer Bücher. Stunden kann ich in einem Laden stehen und meine Augen die schönsten Cover finden lassen, mich von den Texten auf den Buchrücken mitreißen lassen und darüber schmunzeln, wenn mir ein altbekanntes und geliebtes Buch in die Hände fällt.

Leider ist der Sommer zu kurz für all die Geschichten, die ich mir vornehme zu lesen. Und so kommt es, dass mit dem Auspacken der Reisetasche nicht nur die Badesachen wieder verstaut werden, sondern auch die Bücher, die mir die Vorfreude auf träge Tage im Garten, Café oder am Strand versüßt haben. Zeit für ein klein wenig Realismus — genau, ich brauche ein Budget.


Ich beschließe, meine Sommerlektüre dieses Jahr secondhand zu kaufen und nicht gelesene Bücher im Herbst ohne großen Abschiedsschmerz wieder abzugeben.

Damit erspare ich meinem Geldbeutel eine Depression und meinen Büchern die Verbannung auf den unbeliebten Stapel in der untersten Reihe meines Regals.

Egal, wen ich nach Tipps in Sachen gebrauchte Bücher in Ludwigsburg frage, die Antwort ist immer die gleiche:

»Im Antiquariat in Hoheneck wirst du fündig«.

Erster Ausflug nach Alt-Hoheneck

»Ist das so?«, denke ich mir und fahre, ohne groß darüber nachzudenken, hin. Eins steht fest: Alt-Hoheneck ist Dienstagmittag bei 30 Grad der verschlafendste Fleck Erde, den man sich vorstellen kann. Außer ein paar Schafen, die sich einen Kampf um die letzten grünen Grashalme liefern, ist absolut tote Hose in Hoheneck.

Oh nein, das Antiquariat hat an Dienstagen geschlossen, genau wie die Krone — das Traditionslokal, das direkt neben dem Antiquariat seine Gäste empfängt.

Mein erster Ausflug nach Hoheneck hat sich trotz verschlossener Türen gelohnt. Der wunderschöne Außenbereich des Antiquariats ist nämlich zu jeder Tages- und Nachtzeit zugänglich. Das einzige, was ihr braucht, ist Kleingeld. Jedes Buch ist für zwei Euro zu haben. Ihr werft das Geld in ein Kästchen und das wars — ganz unkompliziert.

Ein kleiner Spaziergang am Neckar im Anschluss und ich bin zufrieden nach Hause gefahren, gespannt darauf zu erfahren, was mich beim nächsten Besuch im Innenbereich des Antiquariats erwartet.


Zweiter Ausflug nach Alt-Hoheneck

Am Samstag in derselben Woche fahre ich wieder nach Alt-Hoheneck. Mittlerweile kenne ich den Weg. Das Parken in Alt-Hoheneck empfinde ich als sehr unkompliziert. Ich finde einen kleinen Parkplatz am Neckar (und keinen Parkscheinautomaten) und laufe von dort noch fünf Minuten bis zum Antiquariat.

Mein erster Eindruck vom Antiquariat Alt-Hoheneck übertrifft meine Vorstellungen.

Zwischen den vielen Buchreihen fühle ich mich sofort wohl. Ich werde sehr freundlich empfangen — von einer schnurrenden Katze auf dem Kassentresen und einer Mitarbeiterin, die mir gleich ansieht, dass ich noch nie da war und deshalb nicht lange zögert, mir alles zu erklären.

Aktuelle Corona-Lage: Im Hauptgebäude des Antiquariats sind im Moment drei Personen gleichzeitig erlaubt, mit Masken, versteht sich. Ich erkundige mich nach den Stoßzeiten — diese richten sich wohl nach parallel in Ludwigsburg stattfindenden Veranstaltungen.

Sich auszuweichen sei aber im Antiquariat kein Problem, sagt mir die freundliche Mitarbeiterin. Wegen Corona wurde sogar die alte Kelter mit einem Bestand von 15.000 Büchern zusätzlich dauerhaft geöffnet. Um auch dort zu schmökern, soll ich ums Eck laufen und dann hoch … Jetzt möchte ich mich aber erst einmal hier im Laden-Antiquariat umschauen.

Die Preise für die Bücher stehen ganz klein vorne im Buch. Die Schallplatten sind ebenfalls mit Preisen ausgezeichnet. Sortiert sind die Bücher nach Autoren und Sachgebieten. Den Büchern hinter den Vitrinen-Türen schenke ich weniger Beachtung. Hier verbergen sich wertvolle Exemplare, die auf wertschätzende Liebhaberhände warten und als Sommerlektüre eher ungeeignet sind.

Beim Spazieren durch die Gänge höre ich, wie ein Stammkunde sich nach dem Büchermarkt erkundigt, der alle zwei Jahre in Hoheneck stattfindet. Nicht dieses Jahr, wie die Mitarbeiterin traurig erzählt. Ich fühle mich in meiner Idee, hier her zu kommen, bestärkt und freue mich, dass ich das Antiquariat wenigstens durch meinen Kauf ein bisschen unterstützen kann.

Die von mir ausgesuchten Bücher hinterlege ich an der Kasse. Nicht ohne mich nach der süßen Katze zu erkundigen. »Sie gehört uns gar nicht, steht aber immer pünktlich zur Ladenöffnung vor der Tür«. Na, wenn das keine loyale Stammkundin ist, denke ich beim rausgehen. Den Außenbereich lasse ich aus und gehe stattdessen in die alte Kelter, wo ich wieder sehr nett begrüßt und über den Bestand aufgeklärt werde.

Die 35 Grad sorgen dafür, dass mir meine Kleidung am Körper klebt und unter der Maske kann ich schwer atmen … und dennoch, dieser Raum ist magisch und ich denke gar nicht daran, schnell wieder zu gehen.

Ich streife durch die Reihen, nehme hier und da ein Buch in die Hand und bin fasziniert von der riesigen Auswahl aber vielmehr noch von der Atmosphäre. Ein bisschen fühle ich mich wie in einem Harry Potter Film oder auf Zeitreise in die Vergangenheit; ich kann selbst nicht glauben, dass ich noch nie zuvor hier war. Mit sechs Büchern laufe ich zur Kasse, bezahle und mache mich auf den Weg zurück in den Antiquariat-Laden.

Außen neben dem Laden ist noch ein geheimnisvoller Gang, voll mit Büchern versteht sich, der verschlossen ist. Auf Nachfrage darf ich auch hier rein schnuppern und mein Stapel wächst. Am Ende bin ich zwanzig Euro los und habe eine Tasche voller Bücher, die ich noch kurz vor dem, sich langsam anbahnenden Sommergewitter, in den Garten der Krone schleppe, wo ich meinen Ausflug mit einem Cappuccino beende.

Ich werde auf jeden Fall bald wiederkommen, vielleicht schon im Herbst, mit den gelesenen Büchern und dem ein oder anderen Exemplar von meinem Stapel im untersten Regalfach. Mir gefällt der Gedanke, dass ein Buch über die Zeit mehrere Zuhause hat, und ganz unterschiedliche Menschen begleitet. Ich jedenfalls bin sehr glücklich über meine Auswahl.

Wer weiß, vielleicht haltet ihr ja irgendwann mal eines der Bücher in den Händen, das ich an heißen Sommernachmittagen in der Hängematte, ganz hinten im Garten gelesen hab.



Danke, Natalie, für deinen Gastbeitrag!

Macht direkt Lust aufs Secondhand-Lesen, finden wir.

Wenn du jetzt auch Lust bekommen hast, einen Erfahrungsbericht zu einem anderen Ludwigsburg-Thema zu schreiben, dann melde dich bei Tabea.

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Bilder: Natalie Capalija