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Drei Männer im Atelier

[Dieser Beitrag entstand vor Corona]

Wir besuchen Noah Bartruff, Philipp Hofmann und Daniel Zadro im Atelier der Kunstschule Labyrinth in der Karlskaserne.

Hier stehen ihre Staffeleien zwischen farbbekleckerten Tischen und Wänden und Regalen voller Kisten, Kästen, Halbfertigem und Krimskrams. Hier malen sie jeden Freitagnachmittag in ihrem Kunstkurs, der von der Künstlerin und Musikerin Sally Grayson geleitet wird.

Kennengelernt habe ich die drei Jungs, als sie eine kleine Ausstellung im Minishowroom gehängt haben. Neben Kunst interessieren sie sich nämlich auch für Second-Hand-Mode, treffen sich mit Freunden und hören Musik, eine Playlist fürs Malen gibt es auch. Zum »Atelier Ramazzotti« haben sie sich Ende 2019 zusammengetan.

»Macht ihr kein Graffity?«, frage ich.

Ist das jetzt ein Vorurteil? »Ja, das haben wir auch schon«, meint Daniel, »aber wir sind davon wieder abgekommen.« Ihr Stil: expressionistisch, wenn man es einordnen will. Kirchner nennen sie als Vorbilder oder Basquiat. »Außerdem finden wir die Art, wie Kinder malen, spannend«, erklärt Philipp. Alle drei sind Schüler, besuchen Schulen mit Kunstschwerpunkt oder Kunst Leistungskurse.

Ihre Freizeit widmen sie dem Malen. Und da ist ein Ausflug zum Künstlerfachmarkt, um neue Farben, Pinsel, Leinwände zu beschaffen, ein echtes Highlight. War Malen nicht mal total angestaubt? Gleich nach Töpfern, Pappmaché und so? Aber nicht so, wie die Jungs das machen. Motive, Bildstil und Techniken (mit Acryl auf Leinwand) sind vertraut, ja eigentlich old school — aber die Ergebnisse jung, neu und zeitgemäß. Das kantige Porträt mit schnellen Strichen leuchtet in Neonfarben, die Motive greifen Aktuelles auf. Ihre Galerie ist Instagram, hier zeigen sie die neuesten Bilder, lassen liken und bewerten.

Instagram ist die Galerie.

»Wir inspirieren uns gegenseitig.«

Die drei Jungs von »Atelier Ramazzotti« malen gemeinsam — und manchmal sogar gleichzeitig an einem Bild. »Wir inspirieren uns gegenseitig, wenn wir nicht mehr weiterwissen.« Ihre Talente bereichern sich und die Stile fließen zusammen. Auch wenn jeder seine eigene Handschrift hat. Ich bin überrascht: Malen hatte ich mir immer eher als One-(Wo)man-Show vorgestellt. Wer hat es schon gern, wenn einem jemand im Bild rummalt?

Das sieht man nicht nur in der Politik, wo es mindestens eine Doppelspitze im Parteivorsitz sein muss. Auch in der Kunst ist das Kollektiv zurück: Die »documenta 15« zum Beispiel wird vom viel-köpfigen Team der ruangrupa kuratiert. Im Kollektiv liegt die kreative Kraft.

Doch: Einzel-Genies sind out.


Atelier sucht Atelier.

Einmal die Woche gemeinsam in der Kunstschule Labyrinth zu malen, ist den Künstlern eindeutig zu wenig. Sie wollen unabhängig sein, sich jederzeit treffen können, um gemeinsam kreativ zu werden, Musik hören und malen zu können. Darum sucht das Atelier Ramazzotti dringend einen passenden Raum.


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Bilder: Deborah Schulze