OB Matthias Knecht beantwortet eure Fragen
Er ist so nett! Nicht, dass das schlecht wäre. Für Ludwigsburg ist es super, einen netten Oberbürgermeister zu haben. Selbst der Fünf-Tage-Bart, den er bei unserem Interview trug, ließ ihn sympathisch und authentisch wirken. »Echt Knecht« eben, wie sein Wahlslogan.
Aber was steckt dahinter?
Was hat Matthias Knecht für Ansichten und Erfahrungen? Und welche Ideen hat er für Ludwigsburg? 16 Jahre lang hatte Werner Spec das Sagen im Ludwigsburger Rathaus. Viele kennen Ludwigsburg nur so. Was verändert sich, wenn ein neuer Oberbürgermeister übernimmt? Matthias Knecht gewann die Wahl mit überraschend deutlichem Wahlergebnis und löste im September letztes Jahr den alten Oberbürgermeister ab. Der neue will nun vieles anders machen. In Ludwigsburg aufgewachsen, kennt er unsere Stadt gut. Doch vielen von uns fällt es noch schwer, ihn einzuschätzen.
Unser Interview — eure Fragen
Anfang des Jahres trafen wir Oberbürgermeister Matthias Knecht, um uns und unseren Cityblog vorzustellen. Schließlich ist »Hallo Ludwigsburg« ja so etwas wie ein Marken-Botschafter für unsere Stadt. Als er uns ein Interview mit ihm anbot, war schnell klar, dass wir euch da mit ins Boot holen wollten. Also fragten wir unsere Community via Instagram @hallo.ludwigsburg:
»Was wollt ihr von unserem neuen OB wissen? Was wollt ihr ihm mitteilen?«
Eure zahlreichen Rückmeldungen haben wir gesammelt, sortiert und noch eigene Fragen angefügt. Vom Kita-Ausbau, über Parkraummanagement in der Südstadt bis hin zu Plätzen für Jugendliche habt ihr thematisch eine große Bandbreite abgedeckt. Herzlichen Dank dafür! Wir haben alle eure Fragen zum Interview mitgenommen. Eine halbe Stunde hatten wir Zeit, um Herrn Knecht in seinem Büro zu interviewen. Die Fragen, die wir ihm nicht mehr stellen konnten, gaben wir ihm schriftlich mit — sie sind also ebenfalls angekommen.
Was ist Matthias Knecht für ein Mensch? Und was wird er unserer Stadt bringen?
Wir wollen Antworten. Also ab ins Rathaus! Matthias Knecht begrüßt uns freundlich an diesem Morgen und wirkt entspannt, schließlich ist er gerade aus dem Frankreichurlaub zurück. Groß ist sein Büro im ersten Obergeschoss, aber noch ein wenig unpersönlich. Herr Knecht kann von hier direkt zum Marktplatz herüberschauen.
»Hallo Ludwigsburg« trifft
den neuen Oberbürgermeister
Matthias Knecht
Tabea: Herr Oberbürgermeister, Sie sind nun seit gut fünf Monaten im Amt. Was haben Sie seit dem Amtsantritt gelernt?
Matthias Knecht: Die letzten Monate waren eine spannende Zeit, während der ich mich natürlich erst einmal einfinden musste in das Team. Gleichzeitig habe ich eine Menge im Bereich des Haushalts und der Finanzplanung gelernt. Das war das, was uns zwischen September und Dezember hauptsächlich beschäftigt hat. Wir haben versucht, unsere strategischen Ziele abzugleichen mit dem, was an Geld da ist. Da lernt man unheimlich viel in ganz kurzer Zeit.
Tabea: Ihr neues Amt bringt viele neue Aufgaben mit sich. Was war bisher Ihre größte Herausforderung als Oberbürgermeister?
Matthias Knecht: Der Haushalt ist sicher das prägende Thema gewesen. Hier werden schließlich Millionenbeträge bewegt. Aus diesen Verhandlungen heraus haben wir sehr viele inhaltliche Aufgaben für die Stadt entwickelt. Insofern war es die größte Herausforderung. Als der Gemeinderat am 12.12.19 abends gegen 20 Uhr diesen Haushalt beschlossen hat, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Ich war dankbar, dass wir das miteinander geschafft haben.
Tabea: Wir waren kürzlich auf einem Gründer:innen-Workshop. Dort hieß es: »Mache dir dein ›Warum‹ bewusst. Warum willst du Unternehmer:in sein?« Diese Frage möchten wir Ihnen auch stellen: Was ist Ihr »Warum« als Oberbürgermeister? Warum stehen Sie morgens auf?
Matthias Knecht: Ich engagiere mich unheimlich gern für Ludwigsburg. Es ist einfach meine Stadt. Wenn ich morgens ins Büro komme, egal, ob mit der S-Bahn oder mit dem Auto, dann fühle ich, dass ich angekommen bin. Hier in Ludwigsburg, in meiner Heimatstadt. Ich stehe jeden Morgen auf, um für die Stadt und die Menschen, die ich kenne und schätze, eine gute Arbeit zu machen.
Despina: Ist Ihr Umzug von Stuttgart nach Ludwigsburg denn nun geplant?
Matthias Knecht: Wir diskutieren das gerade in der Familie. Wir denken: Einen Rückzugsraum braucht man. Da meine Ehefrau und ich in Ludwigsburg sehr präsent sind – beide Elternhäuser sind hier, wir sind hier in Vereinen aktiv, meine Frau ist Abteilungsleiterin beim MTV in der Tennisabteilung – sind wir gefühlt Tag und Nacht in Ludwigsburg. Und darum tut es uns auch mal gut, am Wochenende draußen zu sein. Insofern kann es sein, dass das Thema Stuttgart sich stabilisiert. Ob wir umziehen, wird sich im nächsten halben Jahr entscheiden. Dann ist die Schulanmeldung für unseren Sohn.
Despina: Ein wichtiges Thema für unsere Leser:innen waren die Kita-Plätze. Da wurde zum Beispiel gefragt: »Was wird getan, um die Kita-Plätze auszubauen und um Fachkräfte zu finden und zu binden?«
Matthias Knecht: Das ist ein ganz, ganz wichtiges Thema. Wir haben in der Kita-Infrastruktur für die über 3-Jährigen eine sehr gute Ausbaustufe erreicht. Es besteht aber durchaus Bedarf bei den unter 3-Jährigen. Hier müssen wir noch mehr tun. Das ist in sehr guten Händen beim Ersten Bürgermeister Konrad Seigfried und Renate Schmetz, Leiterin des Fachbereichs Bildung und Familie, die das beide mit hohem Einsatz betreiben. 2020 werden wir weitere Kita-Plätze schaffen können, auch mit einem privaten Anbieter. Außerdem gibt es von Seiten verschiedener Kirchengemeinden und Sportvereinen ein großes Engagement, das wir weiter fördern werden.
Im Haushalt 2020 konnten wir leider nicht alles abbilden, mussten wir auch bei den Kitas gewisse Dinge noch mal verschieben – auch wenn wir viel mehr tun wollen. Es wird aber noch einiges in den nächsten drei Jahren kommen, sei es durch kirchliches, städtisches oder ehrenamtliches Engagement.
Und beim Thema Fachkräftegewinnung bieten wir für den Bereich der Erzieherinnen und Erzieher jährlich über 40 Ausbildungsplätze an. Wir haben zudem eine hohe Übernahmequote. Wir sind überdies in engem Kontakt mit der Evangelischen und der Pädagogischen Hochschule. Da ist es unser Ziel, im Zusammenwirken der beiden Hochschulen und der Stadt, einen weiteren Schritt zu gehen, um die Fachkräfteausbildung und -gewinnung weiter voranzubringen.
Despina: Das wäre dann natürlich ein langfristiger Prozess, der nicht sofort Fachkräfte in die Kitas bringt. Wie sieht es mit der Bindung der Fachkräfte aus?
Matthias Knecht: Ich denke, da ist die Stadt sehr aktiv, die Arbeitsbedingungen in den Kindergärten und Kindertagesstätten weiter zu verbessern. Wir sind bemüht, die Fluktuation zu verringern, indem wir für ein gutes Arbeitsklima sorgen. Hier sind der Erste Bürgermeister und seine Fachbereichsleiterin sehr engagiert.
Tabea: Der Klimawandel ist aktuell für viele Menschen eine der drängendsten Herausforderungen. Viele Ludwigsburger:innen versuchen, ihren Alltag umweltbewusster zu gestalten. Als Oberbürgermeister können Sie Ihr Amt und Ihre Behörde gestalten. Daher würden wir gern wissen, was Sie in Ihrem Amt konkret, persönlich und freiwillig gegen den Klimawandel tun?
Matthias Knecht: Beim Thema Dienstwagen versuchen wir, ein neues Modell auf den Weg zu bringen. Bisher war es in Ludwigsburg so, dass man einen privaten Wagen fahren musste und einen dienstlichen. Wir versuchen jetzt in Absprache mit dem Gemeinderat, ein Auto einzusparen. Dann beteilige ich mich privat an den Kosten des Dienstfahrzeugs.
Despina: Ein weiteres wichtiges Thema für unsere Leser:innen war die Freizeitgestaltung für jüngere Menschen. Also alles rund ums Weggehen, Ausgehen, sich Treffen. Ich nehme an, Sie gehen vielleicht auch mal mit Freunden etwas trinken?
Matthias Knecht: Klar.
Despina: Wohin würden Sie denn gehen, wenn Sie in Ludwigsburg nach 22 Uhr noch mit einem Freund ein Bier trinken möchten?
Matthias Knecht: Rund um den Marktplatz lässt sich nach 22 Uhr noch gut etwas finden. Für mich ist der Marktplatz der Lebensmittelpunkt der Stadt. Nicht nur, weil er so schön mediterran gestaltet ist und man im Sommer draußen sitzen kann. Hier findet man auch sonst immer einen Ort, um etwas zu trinken und gute Gespräche zu führen.
Despina: Die Leser:innenfrage zu diesem Thema lautete: »Wie sieht es mit neuen Clubs in Lubu aus, nachdem der Pussycat-Club und die Rofa geschlossen sind?«
Matthias Knecht: Ich denke, wir haben ein tolles Restaurant- und Gastronomie-Angebot. Woran es etwas mangelt, ist das Thema Club oder Disco oder auch, mit Blick auf die Rockfabrik, des ausgesuchten Musik-Angebots. Und da sehe ich uns schon in der Pflicht, bei der Stadtplanung in den nächsten Jahren zu schauen, wo wir einen Akzent setzen können. Einen Akzent, der mit den Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner nicht kollidiert. In diesem Zusammenhang wird immer wieder das Nestlé-Areal genannt. Ich bin da aber bewusst vorsichtig, denn das ist für mich ein Premium-Platz. Und den wollen wir vernünftig und in aller Ruhe stadtplanerisch entwickeln.
Despina: Der Klassiker ist ja: Erst wird so eine Location von der Subkultur runtergerockt, dann kann man ein Vorzeige-Projekt draus machen.
Matthias Knecht: In diesem Fall sollte beides zusammenspielen. Ich könnte mir vorstellen, dass es ein Gebiet gibt mit Hotelerie, Kreativwirtschaft und Wohnen. Und wir zusätzlich ein Angebot schaffen, das für das Nachtleben interessant ist. Und da gibt es verschiedene Areale in der Stadt, die sich in diesem Sinne entwickeln ließen.
Übrigens würde ich dabei nicht nur an größere kommerzielle Angebote denken wie eine Rockfabrik. Sondern ich will ganz bewusst auch an einen Ort denken, an dem das studentische Leben und das Leben der anderen jüngeren Menschen der Stadt zusammenfindet. Der Akademiehof könnte so ein Ort sein. Mein Traum wäre, dafür die fünf Hochschulen am Standort zu vernetzen. Dafür zu sorgen, dass vielleicht ein Jugend-Café, vielleicht sogar ein Tanzangebot entsteht, ein Projekt, vom dem auch die Studierenden sagen: Das ist für uns ein gemeinsames Projekt.
Despina: Oftmals entsteht sowas ja »von unten«, ausgehend von denjenigen, die das Angebot dann auch selbst nutzen. Wenn die Stadt einfach etwas hinstellt, wird es vielleicht nicht so angenommen.
Matthias Knecht: Genau. Da sehe ich die Rolle der Stadt auch, wie ich gesagt habe, planerisch und im Fördern. Aber die zündende Idee und das Ausführen, das soll ruhig aus der Stadtgesellschaft kommen.
Despina: Dann haben Sie quasi die nächste Leser:innenfrage schon beantwortet: »Wird es Orte für Jugendliche geben, mehr Jugendtreffs? Der Aka-Platz ist nicht die Lösung.«
Matthias Knecht: Ja, der Akademiehof hat etwas im Ansehen gelitten, weil sich da Dinge ereignet haben, die nicht immer positiv waren. Insofern würde ich gern versuchen, gemeinsam mit den Hochschulen, aber durchaus auch mit der Ludwigsburger Subkultur, ins Gespräch zu kommen.
Tabea: Ich habe noch eine weitere Frage unserer Leser:innen zum Stadtraum: »Wann kommt das geplante Parkraummanagement in der Südstadt?«
Matthias Knecht: Geplant ist der Start zum 01.01.2021. Aktuell sind wir gerade dabei, die Parkgebühren an einigen Stellen in der Stadt zu erhöhen. Ich bin bei dem Thema mit Nachdruck dabei, denn die Südstadt braucht das dringend. Ich kenne das Problem auch aus meinem privaten Umfeld, da meine Schwiegereltern dort leben und momentan oft alles restlos zugeparkt ist.
Kurz gefragt —
entweder, oder, … ?
Mannschaftssport oder Einzelsport?
Matthias Knecht: Gerne Einzelsport im Mannschaftssport. Soll heißen: Als Tennisspieler bin ich Teil einer Mannschaft, stehe aber trotzdem auch allein auf dem Platz.
Frühaufsteher oder Langschläfer?
Matthias Knecht: Absolut Frühaufsteher. Ich bin jemand, den man gnadenlos um 5 Uhr aufwecken kann und der um 6 Uhr notfalls im Büro sitzt.
Notfalls ist ja nicht freiwillig.
Matthias Knecht:
Der Regelfall ist: 6 Uhr aufstehen, 7 Uhr im Büro. Zu dem stehe ich und das macht mir jeden Morgen unheimlich viel Spaß. Vor 6 Uhr aufzustehen ist ein bisschen ungnädig, aber im Notfall geht auch das: 5 Uhr aufstehen, 6 Uhr im Büro.
Taxi oder Straßenbahn?
Matthias Knecht: Straßenbahn.
Blumenwiese oder Skipiste?
Matthias Knecht: Das ist ganz schwierig… Ich bin ein Wanderer, weniger ein Skifahrer, insofern lieber Blumenwiese.
Ich hasse es, wenn …
Matthias Knecht: … man nur diskutiert und zu keinem Ergebnis kommt. Die Gefahr besteht mitunter in der Politik und der Stadtverwaltung, weil man aus vielen Blickwinkeln diskutieren muss. Aber wir brauchen Ergebnisse!
Ich würde gern mal einen Abend verbringen mit …
Matthias Knecht: Oh, das ist jetzt eine ganz spannende Frage. Also, nachdem meine Frau und ich uns die letzten drei Tage immer nur eine halbe Stunde vorm Ins-Bett-Gehen gesehen haben, freue ich mich jetzt sehr auf Samstag und Sonntag, wo wir auch mal abends Zeit füreinander haben.
Von meinem Sohn habe ich
gelernt, dass …
Matthias Knecht: … man viele Dinge, die einen ernsten Hintergrund haben, auch mal lustig und offen angehen kann. Also mit einer gewissen Entspannung, die dann auch hilft bei einer Entscheidung.
Sind Sie ein Schreibtischtäter?
Matthias Knecht: Vor der Wahl dachte ich, ich würde die Frage mit »ja« beantworten. Jetzt muss ich das leider so klar mit »nein« beantworten, dass es auch schon wieder problematisch ist. Ich würde, ganz offen gesagt, gern mehr am Schreibtisch nachdenken und arbeiten. Doch aktuell ist es viel mehr ein Durchgehen von Termin zu Termin.
Mein Lieblingsprivileg als bekannte Person ist …
Matthias Knecht: … immer noch nach den ersten vier Monaten freundlich gegrüßt und empfangen zu werden. Ich genieße es, mit den Leuten in Kontakt zu treten, und immer noch sind sie mir genauso wohlgesonnen wie am 1. September, und das freut mich.
Tabea: Und zum Schluss: Können Sie nach der Arbeit gut abschalten?
Matthias Knecht: Das geht bei mir komischerweise unglaublich schnell. Meine Frau hat mal gesagt: »Du hast die Gabe, innerhalb von fünf Minuten tief zu schlafen.«
Herr Oberbürgermeister,
wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führten Despina Vradelis und Tabea Lerch.
Bilder: Benjamin Stollenberg
Titelbild: Screenshot aus dem Video
Video: Hallo Ludwigsburg, Deborah Schulze