New in town: »Willy Vintage« wills wissen
Leute, wenn ihr den Modetrend des Sommers verpasst habt, dann jetzt mal Augen auf: Radlerhosen sind zurück! Und Blazer mit Schulterpolstern. Und Batik.
So richtig aufgefallen ist mir das allerdings erst, als ich Sandra und Marcel von »Willy Vintage« getroffen habe. Im Zuge meiner Moderecherche für diesen Artikel habe ich schnell festgestellt, dass ich — mal wieder — eher ein Trendspätzünder bin als ein früher Vogel. Na immerhin ist jetzt Herbst, da ist die Kurze-Hosen-Zeit eh vorbei.
Was meinst du, ob dieser Trend im Sommer 2021 noch bestehen wird?
Old School feat. New Soul
Für Vintage-Lover spielt das wohl eher eine untergeordnete Rolle. Hier ist sowieso ein anderer Zeitgeist angesagt, dessen Kleidergeschmack sich nicht an modernen Modeerscheinungen orientiert. Und über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Der lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Dafür gibt es zu viele »Vintage-Strömungen«, die über die Stil-Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts verteilt sind.
Ist es also gerade einfach Zufall, dass Vintage zum Trend geworden ist — oder nie ganz verschwindet?
Große Vintageliebe bei Sandra & Marcel
Die Idee vom »Willy Vintage«-Onlineshop fing mit Kleiderkreisel an
Genau genommen mit dem Kleiderschrank von Sandras Mutter. Die angestaubten, aber stylischen Klamotten aus früheren Zeiten wurden nach und nach auf der bekannten Secondhand-Plattform Kleiderkreisel eingestellt. Irgendwann war der Schrank ausgemistet, Mutters Schätze verkauft — und nun? Die Vintageteile gingen weg wie warme Semmeln und es machte Sandra Spaß zu wissen, dass die Kleidungsstücke »ein zweites Leben« bekommen. Dann brachte Marcel eine Lederjacke vom Flohmarkt mit und meinte, die könne man doch auch noch einstellen. Bald war klar, dass aus dem Secondhand-Verkauf mehr als nur ein temporäres Hobby werden sollte.
Auf der Jagd nach heißer Vintage-Sportswear der Achtziger und Neunziger
Wenn Marcel über den Flohmarkt schlendert oder durch Secondhand-Läden bummelt, wird sein Jagdinstinkt so richtig geweckt. Vielleicht ist eine alte Levis mit perfekter Patina dabei oder eine originale Nike Collegejacke aus den 1980er-Jahren. Sandra erzählt, dass sie es lieben, auch mit ihren Freund:innen in anderen Städten wie Köln oder Amsterdam zu shoppen — für sich selbst oder den Onlineverkauf. Als die Idee von »Willy Vintage« geboren wird, bekommen sie großen Support aus dem engen Freundeskreis: ein befreundeter Fotograf macht die Bilder, weitere Freund:innen modeln für den Instagram-Account.
Das Paar nutzt den Lockdown für den Aufbau ihres eigenen Secondhand-Onlineshops
Eigentlich wollten Sandra und Marcel nach Vietnam reisen. Als dann die Flüge aufgrund der Corona-Pandemie gestrichen wurden, investierten die beiden Studierenden die frei gewordenen Reisekosten in Vintage-Secondhand-Kleidung für ihren (bis dato noch nicht vorhandenen) Onlineshop. Der ist seit Mitte August 2020 online und wird sehr gut frequentiert — und zwar nicht nur von den Freund:innen, wie die beiden anfangs vermuteten. Die Ware lagern sie in Sandras großem Kleiderschrank in Eglosheim: Links die aktuellen Teile aus dem Online-Shop, rechts die Teile, die bald eingestellt werden. Auch Accessoires wie Ringe oder Ketten werden immer häufiger nachgefragt. Am besten gehen derzeit Jeans und Pullover. Herbst, eben.
Achtung, Aufruf!
Hast du Sportswear aus dem vergangenen Jahrhundert? Dann biete es »Willy Vintage« an — Sandra und Marcel sind immer auf der Suche nach originaler Bekleidung.
Wer ist eigentlich dieser Willy?
Ganz ehrlich: Keine Ahnung. Aber die Lederjacke, die eine der ersten angekauften Teile war, hatte ein handgeschriebenes Etikett mit dem Namen »Willy« eingenäht. So hieß dann auch der Ordner auf dem Desktop, in dem die Bilder der fürs Internet abfotografierten Kleidungsstücke abgespeichert wurden. Und dabei ist es geblieben. Hach, ich mag solche Geschichten.
Warum Secondhand nicht immer nachhaltig ist —
und was »Willy Vintage« anders macht
Je mehr Sandra und Marcel in die Welt des professionellen Secondhand-Handels einsteigen, desto mehr wird ihnen klar, was sie nicht wollen: Kleidung, die von USA oder Europa aus in Billiglohnländer transportiert wird, um dort (aus-)sortiert zu werden und die anschließend über den Großhandel in England oder USA ihren Weg in die weltweiten Vintage-Shops findet. Dass diese Lieferkette wenig mit dem Nachhaltigkeitsgedanken zu tun hat, dürfte auf der Hand liegen.
Das Gründerpaar schaut deshalb sehr genau, aus welchen Bezugsquellen ihre Vintage-Teile stammen. Ihr größter Partner ist ein sozialer Träger, der Menschen beschäftigt, die mit Hilfe von Sozialarbeiter:innen für den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben vorbereitet werden. Sandra und Marcel haben hier ein gutes Gefühl, auch, weil sie selbst schon vor Ort im Sortierwerk waren. Die Angestellten haben dort deutlich mehr Zeit zum Sortieren. »Das sehen wir auch an der Qualität der Ware, die bei uns ankommt«, meint Marcel. Sehr selten ist mal ein Piece dabei, das sie nicht in den Shop stellen, weil es z.B. ein Mottenloch hat. Sandra überlegt sich dann, welche alternative Verwendung es dafür gäbe. Eine Tasche nähen zum Beispiel, oder eine Mund-Nasen-Maske. Oder einen Hut.
DIY-Upcycling aus alter Kleidung:
Wie aus einer Adidas Trainingsjacke ein Bucket Hat wird
Manchmal sind die coolsten Klamotten zum Tragen nicht mehr fein genug. Dann wird die Schere, die Nähmaschine oder das Färbemittel ausgepackt und etwas Neues draus gemacht. So kommen zum Beispiel Batikmuster auf alte Jeans, aus T-Shirts und Polos werden trendige Crop Tops für die Ladys und wer nähen kann, zaubert kurzer Hand einen Bucket Hat aus der alten, heißgeliebten Trainingsjacke.
Coole Fotolocation mit Graffiti und roten Backsteinwänden in Ludwigsburg
Schau dir unbedingt Deborahs Video vom alten Pferdestall im öffentlichen Park auf dem Marienwahl-Gelände an. Entdecke anschließend Tabeas 7 Selfie-Spots für deinen Insta-Feed samt Bildern, Infos und Ortsangaben.
Ein Mix aus Modesünden oder verschiedenen Stilen?
Mich beeindruckt es, wenn Menschen Kleidungsstücke kombinieren und mit Accessoires aufpeppen, die eigentlich »doch gar nicht zusammen passen«. Aber was heißt schon eigentlich? Vielleicht ist es auch einfach ein Gefühl. Und Gefühle sind nie falsch. Ich wage eine Trendprognose: Die Vokuhila-Frisur kommt auch noch, wartets ab. Oh my God, bitte nicht! Wobei, ach, was solls. Hauptsache happy!
Liebe Sandra, lieber Marcel,
ich wünsche euch viel Erfolg für euren Vintage-Store im World Wide Web — und bin gespannt, was ihr euch noch so alles einfallen lasst. Vielleicht ja mal eine eigene Upcycling-Kollektion?
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Bilder: Willy Vintage