Weihnachtsmarkt ist wie Rosenkohl

Im Dunkeln mit Kolleginnen in der Kälte stehen? Spüren, wie die Zehen taub werden? Mit einer Mini-Tasse lauwarmer Glühweinplörre in der Hand? Ich kann mir Schöneres vorstellen.

Und trotzdem lande ich jedes Jahr wieder hier: am Glühweinstand auf dem Ludwigsburger Barock-Weihnachtsmarkt.

Es ist wie mit Krokant-Eiern zu Ostern oder Rosenkohl im Winter — man mag es nicht, aber ganz ohne geht es eben auch nicht. Mindestens einmal muss man da durch. Denn ohne Weihnachtsmarkt kommt keine Weihnachtsstimmung auf.

Ich muss mir das nicht oft geben. Einmal im Jahr reicht vollkommen. Ehrlich gesagt trinke ich lieber kühlen Gin im Warmen. Und Klimbim wie Kokosnuss-Schälchen, Weihnachtsbaum-Backförmchen, Schaffelle und Holzfiguren habe ich schon genug zu Hause. Auch das Gedränge am frühen Abend zwischen den Buden macht wohl den wenigsten Spaß.

Immerhin hält es warm, wenn Körper aneinander reiben. Sowieso scheinen die meisten Gäste die Devise zu haben: Mit ausreichend Alkohol lässt sich der Trubel schon ertragen. Die Glühweinstände und Essbuden sind übervoll. Denn: Essen und Trinken wollen alle auf dem Weihnachtsmarkt. An den übrigen Ständen ist wesentlich weniger los.

Wahrscheinlich ist es, wie so oft, nur eine Frage der Einstellung. Denn legt man seinen Fokus auf die schönen Dinge — die zwei Kirchen im schwindenden Abendlicht, innig umarmt stehende Paare, eine leidenschaftliche Verkäuferin — kann es doch ganz nett sein auf dem Weihnachtsmarkt.

Mit etwas Glück erwischt man sogar einen Glühwein, der gut schmeckt und ein Essen, das weder überteuert noch zu knapp bemessen ist, um satt zu werden (also keine Portion Wilde Kartoffeln für 4,– Euro, nach der immer noch der Magen knurrt).

Besser man schaut bei »Toni Maroni« (vor Coffee Fellows) vorbei und genießt die leckeren heißen Maronen. Oder stellt sich in die lange Schlange beim Holzofen-Stand, um eine köstlich duftende, mit Kartoffelscheiben belegte Dinnede zu ergattern (zu finden rechts der katholischen Kirche, vom Marktplatz aus gesehen).

Noch zwei Tipps für den süßen Abschluss: Das Café Bønne ist dieses Jahr mit einem Stand vertreten und bietet vor der eigenen Tür leckere Zimtschnecken an. Und die »Arabischen Süßigkeiten« (vor Modehaus Oberpaur) sind eine Sünde allemal wert!

Hat man dann auf dem Weihnachtsmarkt noch die richtigen Menschen dabei, erzählt man sich im Halbdunkeln plötzlich — mir schon passiert — Dinge, die einem bei Tageslicht am Kaffeetisch nicht über die Lippen gekommen wären.

Ich gebe ihm noch mal eine Chance, dem Weihnachtsmarkt in unserer Barockstadt Ludwigsburg.

Ich ziehe einfach zwei Strumpfhosen übereinander an.
Meide die Wochenenden.
Nehme einen tollen Menschen mit.
Trinke Wein nur vom Winzer.
Und nehme mir nichts weiter vor, als zu genießen.

Dann wird es gehen und womöglich sogar schön sein. Und vielleicht finde ich hier dieses Jahr tatsächlich ein Weihnachtsgeschenk, das mehr als nur Last-Minute-Verlegenheit ist. Eines, das die oder den Beschenkte_n wirklich rührt. Etwas Handgemachtes, das es nur hier gibt.

Bei den Sozialständen an der evangelischen Kirche schaue ich auch vorbei. Da ist jeden Tag eine andere Gruppe, die für ein soziales Projekt Dinge verkauft und Geld sammelt.

Für den Heimweg gibts dann noch gebrannte Mandeln. Mmmmhh. Irgendwer spielt »Vom Himmel hoch« auf der Flöte.

Und plötzlich habe ich ein Lächeln auf den Lippen und denke mir: Ach, einmal im Jahr kann man das schon machen mit dem Weihnachtsmarkt.

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Bildquellen
Glühweinstände; Schüssel mit Maronen: Tabea Lerch
Titelbild und alle anderen Bilder: @itookapicof Herzlichen Dank für die schönen Bilder!

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